Judith Mennenöh, Ute Lennartz-Lembeck
Künstlerische Schulprojekte
Projekt: Der Seelenvogel
11.- 13. Juli 2011
Grundschule Reichsgrafenstraße, Wuppertal
11.07.2011 1. Tag

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Die Gruppe von 70 Kindern (am Dienstag durch 9 Lehrerinnen, am Dienstag durch 5 und am Donnerstag durch 6 Lehrerinnen betreut), traf sich in der Aula, um die Geschichte des Seelenvogels zu hören. Untermalt wurde dies durch Vogelgezwitscher, einem bequemen Kissen für die Erzählerin, einem Ast-Baum, einer heimeligen Beleuchtung durch eine Stehlampe und einen Vogelkäfig.
Ziel des ersten Tages:
Es handelt sich dabei um eine Geschichte mit offenem Ausgang, die Kinder sollen, jeder für sich, die Geschichte zu Ende denken, erzählen, spielen... Es geht um Gefühle, die Seele,
die Gefühle des Vogels, die eigenen...
1. Phase
Es war einmal ein Vogel. Der lebte schon sein ganzes Leben lang in einem Käfig. In dem Haus wohnte ein Mann mit seiner Frau und sie liebten ihren Vogel sehr. So saß der Vogel nun tagein tagaus in seinem Käfig und sah durch das Fenster in den alten Garten hinaus. Er sah, wie im Frühling die ersten Knospen aus den Blumenbeeten ragten. Er hörte, wie die Vögel des Gartens sangen Er schaute zu ihnen, wie sie Würmer pickten und mit dem Schnabel voller Äste emsig hin und her flogen, bis ihre Nestefertig waren. Und er beobachtete die Vögle des Gartens, die nicht in den Süden abgereist waren, wenn sie im Garten nach Körnern suchten. Denn sobald es kalt wurde und die ersten Schneefocken fielen, Streuten der Mann und die Frau Vogelfutter. Auch die Vögel des Gartens hatten sie sehr gern. Viele Jahre waren vergangen und das Ehepaar war schon ehr alt geworden. Da kam ein Tag, an dem es der Frau nicht so gut ging. So entschieden sich die beiden, das Haus zu verlassen, um einen Arzt aufzusuchen, Noch nie war der Vogel ganz allein geblieben in dem großen dunklen Haus. Die beiden hatten es ganz eilig. Weil sie so verwirrt waren vor Aufregung, hatten sie an diesem Trag vergessen, die Tür es Käfigs nach dem Füttern zu schließen. So saß der Vogel lange vor der offenen Käfigtür und dachte nach. Auch er liebte den Mann und die Frau und sie hatten immer gut für ihn gesorgt. Ein wenig Angst, den Käfig zu verlassen, hatte er auch. Aber am Ende siegte seine Neugier. Er flog hinaus und landete auf dem Teppich. Uuh, wie kitzelig waren die Haare des Teppichs unter seinen Füßen. Überhaupt fühlte sich alles so anders an als der Sand und die Holzstange, als der Wassernapf und der kleine Spiegel im Käfig! Stundenlang hüpfte der Vogel durch das ganze Haus und war immer wieder neu überrascht. Wie kalt der Küchenboden, wie weich das Kissen auf dem Sofa, wie lecker ein Brotkrümmel und wie stachelig eine Fußmatte sein konnte!
Am meisten aber interessierte sich der Vogel natürlich für den Garten. So viele Fragen hatte er sich in all den Jahren gestellt, während er immer wieder hinausgeschaut hatte. Und siehe da, ein Fenster stand offen und er hüpfte von der Fensterbank hinaus.
Kaum war er im Garten, da bemerkte er: Er hatte nicht fliegen gelernt, wie die anderen Vögel um ihn herum. Dazu war sein Käfig viel zu klein gewesen. Sein Holpern und Flattern war ihm etwas peinlich. Auch wurde er ein bisschen neidisch auf die Vögel um ihn herum, wie sie alle so elegant durch die Luft schwirrten. Er bekam das ungute Gefühl, die anderen würden ihn belächeln bei seinen Flugversuchen. „Das wäre doch gelacht! Vögel können fliegen! Und ich bin ein Vogel!“, dachte er zunehmend wütend. Wieder und wieder übte er. Und endlich, als es schon anfing dunkel zu werden, erhob er sich in die Luft, wie die anderen Vögel auch. Welche Freude erfüllte ihn, so leicht dahinzuschweben!
Da sah er das große dunkle Haus da unten so klein liegen. Aus dem schon erleuchten Fenster schaute der Mann in den Garten und rief nach ihm. Da wurde der Vogel auf einmal ganz traurig. So lebendig wie hier im Garten hatte er sich noch nie gefühlt. Aber den Mann und die Frau verlassen? Das konnte er sich nicht vorstellen! Was sollte er tun?
(Quelle: Schilling, Diemut, Das bin ich, Verlag an der Ruhr, Hrsg: Yehudi Menuhin Stiftung Deutschland, Düsseldorf, 2005)
Hier endet die Geschichte, die Kinder sollten, jeder für sich, überlegen, wie die Geschichte weiter gehen könnte..
Wieder zurück in der Gruppe kam zunächst ein, teilweise von der Lehrkraft gelenktes, Gespräch in Gang.
Was ist die Seele, was sind Gefühle, wie äußern sie sich... ?

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2. Phase
Um den eigenen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, sich der Problematik des Vogels/den eigenen zu nähern, standen mehrere Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung:
Knetmasse:

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Papier in verschiedenen Größen und Stifte, Wasserfarben, Ölkreiden:

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Die Schüler wurden immer freier, die Formate größer, die Malerei bunter.
Zu den Stiften kamen Wasserfarben, Ölkreiden, die Schüler arbeiteten großflächig auf dem Boden...
Die Schüler verließen die eingefahrenen Schulbahnen....
Die fertigen Arbeiten wurden auf Tischen und an den Wänden im gemeinsamen Flur ausgestellt, bzw. gehangen.
Am Ende des ersten Projekttages trafen sich alle Gruppen mit ihren Lehrerinnen im Flur, reflektierten nochmals das Thema der Gefühle/der Seele und nahmen dies Eindrücke mit nach Hause
12.07.2011 2.Tag
Am zweiten Tag begann die Anfertigung der Vögel.

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Zunächst ging es darum, den Grundkörper zu erstellen. Dafür standen Pappstücke mit aufgezeichneten Kreisen zur Verfügung.
- Wie erschaffe ich mir die Grundform? Mit dem Messer, der Säge, der Schere... oder bastel ich mir eine ganz eigene Form?
- Welches Material eignet sich für mein Vorhaben?
- Was möchte ich: zwei- oder dreidimensional?
- Wie komme ich dahin?
- Wie verhalte ich mich, wenn meine festen Vorstellungen nicht realisiert werden können?
- : ich suche mir meine eigenen Weg, der zu mir passt...
Es gab Wolle, Papier, Füllmaterial, Kleber, Stoff... die Schüler sollten sich selbst am Material erfahren und darüber hinaus etwas Neues schaffen. Das entspricht dem kulturpädagogischen Ansatz, der sich aufgrund der Freiheit vom schulpädagogischen insofern unterscheidet. Vorgaben gab es nicht, lediglich Gedankenanstöße.
Zudem hatten die Schüler die Möglichkeit, die anderen Gruppen zu besuchen, zu sehen, was dort passiert, sich Anregungen zu holen, sich zu vermischen.
Es ging an diesem Tag nicht ums Schmücken (obwohl die bereitgestellten Materialen sehr verlockend waren), sondern um die Schaffung der Körper- und Kopfform, um deren Verbindung/-smöglichkeiten.
Die Gruppenleiterinnen halfen durch das Kleben mit Heißkleber.

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Die Arbeit wurde im Laufe des Vormittags immer freier und fantasievoller.
Man konnte Ähnlichkeiten in den Gruppen beobachten, aber keine Nachahmungen, Stereotypen.

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13.07.2011 3. Tag
Am Anfang des dritten Tages versammelten sich alle Schüler mit ihren Lehrerinnen zunächst nochmals in der Aula .
Dort wurde eine, extra zu diesem Zweck verfasste Geschichte durch sie vorgetragen die vorschlug, wie es weiter gehen könnte. Dies entstand im Laufe des Projekts und nahm die Äußerungen der Schüler auf, die im Laufe des Projekts geäußert wurden und die sich als gemeinsame Linie zu erkennen gaben..
Der Vogel verliebte sich in einen anderen Vogel, vergaß aber dennoch Frau und Mann im großen Haus nicht.
Er trug eine Botschaft (der Ort für die je persönlichen Gefühle des Kindes, welches den Vogel angefertigt hatte), die er in seinem Federkleid versteckt hatte.
Das sollte Anlass sein, dass die Schüler sich auch einen (geheimen) Platz an ihrem Vogel ausdachten, in anfertigten, an dem die je persönliche Botschaft versteckt wurde. So entstand das sehr personalisierte „Kunstwerk“ des Seelwenvogels.
Geplant ist, dass die Schüler die geheimen Botschaften immer wieder austauschen, der Vogel also Träger der Gefühle/der Seele des jeweiligen Kindes ist. Diese Botschaften sollen von jedem Schüler gesammelt werden, in eine persönliche Mappe o.ä. gesteckt werden und die Möglichkeit bieten, sich auf diesem Weg mit sich selbst nachhaltig auseinander zu setzen.
Der Inhalt der Botschaft ist geheim und nur für das jeweilige Kind von Bedeutung. Ehrensache ist natürlich, dass niemand die Privatsphäre des anderen verletzt . Es wurde ein vorgefertigter Baustamm aufgestellt, in den Äste gesteckt wurden. Gemeinsam wurde er behangen Der Seelenvogelbaum...

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Am Nachmittag wurden die eingeladenen Eltern von den Schülern dorthin geführt, hatten die Möglichkeit zu erklären, sich vor „Publikum“ anhand der Präsentation nochmals anders zu erfahren.
Jeder Schüler wurde vor dem Baum fotografiert und bekommt dieses Foto als Andenken.
Die Schüler haben allen Grund stolz zu sein – auf das eigene und das gemeinschaftliche Werk.